Kunstwerke einfach in den Sand gesetzt

Wesfälische Rundschau, 17.06.2008

Von Marie Schäfers

 

Witten. Ulrich Baentsch hat auf Sand gebaut. Absichtlich. Nicht aus Leichtsinn, sondern weil Sand einfach sein Material ist. Der Berliner Bildhauer ist der einzige deutsche Teilnehmer bei den ersten Einzelmeisterschaften im Sandskulpturenbau.

Die sich umarmenden Sandmänner von Skulpturenkünstler Ulrich Baentsch (39) nehmen langsam Form an. (WR-Bild: Bodo Goeke)

... In Witten messen sich beim Sandfestival Ruhr die zehn besten Sandkünstler der Welt beim Sandkastenspiel für echte Profis. Mit unendlicher Ruhe und Präzision führt Ulrich Baentsch den Spachtel über die Schulter seines Kolosses. Die Berührung ist zart, fast liebevoll. So liebevoll wie die Umarmung, die Baentschs Skulptur zeigen soll. Eine Umarmung zweier Männer aus Sand. Aus Ruhrpott-Sand um genau zu sein.

2000 Tonnen haben die Organisatoren des zweiten Sandfestivals Ruhr aus einer Kiesgrube in Bottrop-Kirchellen mit 70 Sattelschleppern nach Witten anfahren lassen. Jeder WM-Teilnehmer muss daraus eine vier Meter hohe Skulptur fertigen. Der Fantasie sind sonst keine Grenzen gesetzt - außer die der Schwerkraft. Denn mit Sand lässt sich eben nicht alles machen.

Männer im Holzkorsett

"Die Vergänglichkeit des Materials macht einen großen Reiz aus", sagt Ulrich Baentsch (39) fast philosophisch. Seine strahlend blauen Augen leuchten. Er staubt sich den Sand von den braun gebrannten Armen ab, betrachtet seine Skulptur, die im unteren Bereich noch von einem Holzkorsett gestützt wird. Das muss bis Sonntag runter, dann werden die Skulpturen bewertet - von einer Jury, den anderen Künstlern und den Zuschauern. 8000 Euro Preisgeld winken dem besten Carver - wie die Sandkünstler heißen.

Ulrich Baentsch ist zum zweiten Mal in Witten. Letztes Jahr sorgte er mit seiner Skulptur "Octobush" für Aufsehen. Sie zeigte den amerikanischen Präsidenten als gigantische Riesenkrake. "Dieses Mal wollte ich nichts Politisches machen", sagt Baentsch. "Ich will Harmonie zeigen, Freundschaft, Zuneigung." Er nickt lässig, als er sein Werk betrachtet. Neben ihm zieht sein tschechischer Konkurrent - Typ Surflehrer - alle weiblichen Blicke auf sich. Er hat sein T-Shirt ausgezogen. Der braun gebrannte Adonis greift zur Wasserspritze, befeuchtet sein abstraktes Kunstwerk. Die wenigsten schauen jetzt noch auf die Skulptur.

Ulrich Baentsch macht sich an die Augen seiner Sandmänner. "Den Blick zu modellieren, ist eine echte Herausforderung", sagt er. "Die Augen wirken schnell tot, da muss man viel dran feilen." Seit drei Jahren verwirklicht der Bildhauer seine künstlerischen Visionen nicht nur in Stein und Ton, sondern auch in Sand. "Dieser hier hat super Qualität", sagt er und zerreibt ein bisschen seiner Bausubstanz zwischen den Händen. "Er ist lehmhaltig und schön feucht, lässt sich deshalb gut verarbeiten und bleibt schön fest. Regen und Wind machen den Skulpturen so gar nichts aus", sagt Baentsch Vorsichtig muss der 39-Jährige trotzdem sein. Das Abbrechen von Skulpturteilen ist jederzeit möglich. "Das passiert auch den Besten", sagt Baentsch. Gestern ist es den außer Konkurrenz antretenden Künstlern passiert. Die internationale Truppe bastelt an einer zehn Meter großen Frau, die aus einem Buch vorliest. Sie ist um einige Zentimeter abgesackt. Nichts, was nicht repariert werden könnte.

"Das ist das schöne am Sand", sagt Baentsch. "Man kann ihn immer wieder formen." Der Titel ist für ihn Nebensache, er will in Witten einfach seine Kunst zeigen, Profis wie ihn gibt es schließlich nicht wie Sand am Meer.

Favorit ist ohnehin ein anderer. Sudarsan Pattnaik aus Indien hat vor einigen Tagen mit einem Kollegen in Berlin den Team-Carving-Titel geholt. Außerdem stellt sich Carver-Superstar Rusty Croft (USA) der Konkurrenz. Ulrich Baentsch will den Kopf aber trotzdem nicht in den Sand stecken.