1.SANDFESTIVAL RUHR AM KEMNADER SEE

Aus Sand gebaut

 

WAZ 23.07.2007, Von Hubert Wolf

Bildhauer Ulrich Baentsch ist einer der Sandbaumeister, die mit Spachtel und Strohhalm aus 2000 Tonnen Sand Politiker, Dämonen, Fische oder Meerjungfrauen gestaltet. Vergänglich ja - aber wetterfest

Sandbaumeister Ulrich Baentsch macht aus Sand Fische, Jungfrauen - oder den Kopf von George W. Bush                              Foto:WAZ,Jakob Studnar

 

In sieben Wochen wird das Werk des Bildhauers Ulrich Baentsch zu Staub zerfallen, was für das Werk eines Bildhauers eher kurz ist; aber so kommt es natürlich, wenn man auf Sand baut. Baentsch steht also auf einem blickdicht umzäunten Gelände am Kemnader See und arbeitet mit Spachtel und Strohhalm an einem Kopf von George W. Bush. "Mit Sand mache ich temporäre Themen, die ich sonst nicht mache", sagt er, und: "Ich finde Vergänglichkeit eigentlich ganz schön."

Komischer Bildhauer!

Baentsch ist einer der Sandbaumeister, die hier seit einigen Tagen ihr Wesen treiben. Sie bereiten das "1. Sandfestival Ruhr" vor, und die momentane Szenerie muss man sich so vorstellen: Rund zwei dutzend jüngere, aber eindeutig erwachsene Menschen in Strandlaune stehen auf meterhohen Sandhaufen und formen sie. Drucksprüher und Industriestampfer kommen dabei zum Einsatz, Pinsel und Maurerkellen, Löffel und Gabeln; und soweit man überhaupt schon etwas erkennen kann zwei Tage vor der Eröffnung, erkennt man: außer dem Bush einen Fisch, der in den Himmel strebt; den Beginn einer Meerjungfrau, mindestens ein Dämonengesicht, einen Delphin sowie eine Madonna, ja, das könnte eventuell eine Madonna werden. Zehn der Skulpturen werden vier Meter hoch, eine gar zehn, und dass das hält, ist nicht zu fassen. Ich meine, wir reden hier schließlich über Sand!

Andererseits: Sandkuchen zerkrümeln ja auch nicht. Die werden wie Stein.

Ist natürlich ein spezieller Sand, wird Werner Jaing später erklären, der Initiator des Festivals. Da sind 500 Tonnen Allerweltssand wie aus dem gleichnamigen Kasten; dazu hat er aber aus Bottrop 1550 Tonnen Skulpturensand herankarren lassen. Spezielles Korn, spezielle Form, "bis Windstärke 7 hält das, ein Kyrill darf natürlich nicht kommen", sagt Jaing. Regen sei sogar eher nützlich, weil er die Skulpturen vor Erosion schütze; sehr starker Regen könne allerdings ein unerwünschtes Muster hinterlassen. Und wenn es - hagelt?

"Es hagelt nicht!"

Zudem wird der Spezialsand noch besonders behandelt: Sie mischen ihn mit Wasser und pressen ihn zu Scheiben unter Zuhilfenahme von Holzverschalungen, Spanngurten und ihrer ganzen Kraft - dass er fast ein, ja, ein Sandstein wird. Die Scheiben stapeln sie pyramidenförmig aufeinander, lösen dann die oberste Verschalung, modellieren diese Sandschicht und arbeiten sich so nach unten durch. Ab- und Zusammenbrüche "passieren ständig", sagt der Berliner Baentsch, "Sand sind halt statische Grenzen gesetzt". Wenn seine Figur am Sonntag fertig ist, reist er ab und sieht sie nie wieder. Mitte September geht sie wieder in Sand auf; was ihm bleibt, ist ein Foto.

Solche Sandfestivals gibt es seit den 70er Jahren; nicht ganz überraschend, entstanden sie in Kalifornien. Die ersten in Deutschland tauchten auf nach der Jahrhundertwende, das Berliner "Sandsation" bringt es schon auf fünf Jahre. Hier in Witten modellieren Leute aus aller Welt: ein Inder darunter, ein Russe, Dänen. Nicht alle sind Künstler von Beruf, und überhaupt nur wenige Menschen auf der Welt können von Sandskulpturen leben: Sie reisen, steht auf einer Tafel, "immer dem Sommer hinterher" - den armen Leuten hat aber offenbar niemand gesagt, wie der typische deutsche Juli aussieht.

Alle Arbeiten am See stehen unter dem Motto "Meereswelten". Der Delphin. Der Fisch. Die Jungfrau. Was Baentsch aus Bush macht, wird man noch sehen. Und dann liegen da zwei Sandhaufen, die sehen aus wie zwei liegende Sandhaufen. Was wollen uns die Künstler sagen? Gar nichts. Der eine ist vorgesehen für ein Sandskulpturen-Seminar. Der andere für spielende Kinder."Sand sind halt statische Grenzen gesetzt""Ich finde Vergänglichkeit ganz schön"